Aktuelles Archive - Seite 26 von 33 - Evangelische Kirchengemeinde Gütersloh

Corona bei Tönnies: Die Politik muss handeln!

Der Corona-Ausbruch bei Tönnies, dem größten Fleischkonzern Deutschlands, zeigt, dass das „System Billigfleisch“ überwunden werden muss. Die Politik müsse jetzt handeln, fordern das Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung/MÖWe und das Institut für Kirche und Gesellschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW).

Die ersten Opfer des Corona-Ausbruchs und des „Systems Billigfleisch“ sind die Vertragsarbeiter aus Osteuropa, die unter unwürdigen Bedingungen im Schlachthof arbeiten und leben müssen. Kirsten Potz, Regionalpfarrerin des Amtes für MÖWe im Kirchenkreis Gütersloh, fordert: „Das Subunternehmertum und die Ausbeutung der Werksvertragsarbeiter und -arbeiterinnen muss abgeschafft werden! Wer die Augen vor diesen menschen-unwürdigen Arbeits- und Wohnbedingungen nicht verschlossen hat, für den ist es ein Wunder, dass es erst jetzt zu einer Katastrophe gekommen ist, die hoffentlich alle aufrüttelt.“

„Auch die Landwirte leiden unter dem Corona-Ausbruch und dem System Billigfleisch. Die niedrigen Preise zwingen sie in eine Fleischproduktion, die vor allem Masse verlangt. Die extrem schwierige Situation, in der nun viele Landwirte wegen der Schließung von Tönnies sind, zeigt, dass wir eine Ernährungswende brauchen mit einer Tierhaltung und Landwirtschaft, die nachhaltiger und damit auch krisenfester ist und der bäuerlichen, familiengestützten Landwirtschaft ein sicheres Einkommen ermöglicht“, sagt Volker Rotthauwe, Pfarrer für nachhaltige Entwicklung vom Institut für Kirche und Gesellschaft.

Francisco Mari, Agrarexperte des Hilfswerkes Brot für die Welt, ergänzt: „Dieses System der Fleischproduktion wird von einer Agrar- und Handelspolitik der Europäischen Union unterstützt, die arme Länder zwingt, deutsches Billigfleisch einzuführen. Das schadet seit Jahren Schweinemästern zum Beispiel in Südafrika oder Côte d’Ivoire.“ In den nächsten Jahren würden auch Millionen kleinbäuerliche Schweinehalter in Vietnam leiden, weil ein geplantes neues Handelsabkommen alle Schutzzölle für EU-Schweinefleisch abschaffen werde. „Zudem sind die niedrigen Exportpreise auch nur möglich, weil für die Fütterung Billig-Soja eingeführt wird und dafür Wälder in Brasilien und Paraguay gerodet werden.“

Katja Breyer, Beauftragte für den kirchlichen Entwicklungsdienst der EKvW, fordert, dass die Politik handeln müsse. Der öffentliche und politische Druck biete eine große Chance, aus dem „System Billigfleisch“ auszusteigen und zu einer nachhaltigen Landwirtschaft zu kommen. „Dafür sind Gesetze notwendig, die der Ausbeutung der Arbeiter und Arbeiterinnen in Schlachthöfen endlich einen Riegel vorschieben. Es braucht eine Agrarpolitik in der EU und Deutschland, die es Landwirten ermöglicht, nachhaltig Landwirtschaft zu betreiben und eine Handelspolitik, die Bauern in Entwicklungsländern nicht in den Ruin treibt. Ein entsprechendes Gesetz muss deutsche Unternehmen verpflichten, Menschenrechte und Umweltstandards auch entlang ihrer weltweiten Lieferketten zu achten.“

Auch die westfälische Präses Annette Kurschus hält eine neue gesellschaftliche Debatte über das Konsum-verhalten sowie Dumpingpreise und Dumpinglöhne in der Fleischindustrie für nötig. Mehr dazu hier.

Verantwortlich: Gunda von Fircks, Institut für Kirche und Gesellschaft, Stabstelle "Bildungsmarketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit", gunda.vonfircks@kircheundgesellschaft.de, Tel. 02304/755 347 und Dirk Johnen, Presse- u. Öffentlichkeitsarbeit, Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe) der EKvW, dirk.johnen@moewe-westfalen.de, Tel. 0231 / 5409-293

Kirchengemeinde Gütersloh schafft neuen Lebensraum für Insekten

GÜTERSLOH – „Wir wollen Insekten unterstützen und ihnen einen neuen Lebensraum bieten“, sagt Albrecht Waschau, langjähriges Mitglied der Gemeindegruppe „mannsbilder“. An einem Samstag im Mai war es soweit: Mitglieder der Gruppe säten Wiesenpflanzen auf zwei Rasenflächen von insgesamt 150 qm an der Matthäuskirche in Gütersloh, selbstverständlich mit Wahrung des geforderten Mindestabstands.

Das Saatgut hatte freundlicherweise die Biologische Station Gütersloh/Bielefeld im Rahmen des Projektes „Artenreiche Lebensräume“ in der VITAL-Region GT8 zur Verfügung gestellt. „Wichtig ist, dass es sich um Saatgut regionaler Herkunft von Wiesenpflanzen handelt, die hier vorkommen. In der Mischung sind zum Beispiel Wilde Möhre, Margerite oder Schafgarbe, die an diesem Standort wachsen können. Und sie sind alle für Insekten sehr wichtig“, erläutert der Umweltreferent des Evangelischen Kirchenkreises, Dr. Gunnar Waesch.

Tags zuvor hatte Landschaftsarchitekt Markus Lakämper die Fläche vorbereitet. Mit einem Vertikutierer schuf er ideale Ausgangsbedingungen. „Die kleinen, offenen Bodenstellen sind wichtig, damit die Aussaat gelingt“, so der fachkundige Gütersloher. Am Ende der Aktion waren sich alle einig: „Wir haben eine wichtige Grundlage für den Schutz von Insekten gelegt!“

Klar ist aber auch: Geduld ist gefragt. Bis sich die Wiesenpflanzen entwickelt haben und zur Blüte kommen, kann es ein Jahr oder länger dauern. Doch die Vorfreude ist schon jetzt groß.        GW

 

Im Einsatz für Insekten: Albrecht Waschau (Gemeindegruppe mannsbilder) drückt das ausgebrachte Saatgut an.
Foto: GW

Präses Annette Kurschus zu den Mutmaßungen, osteuropäische Werksarbeiter der Firma Tönnies hätten nach ihrem Heimaturlaub das Coronavirus „eingeschleppt“

Bielefeld/Gütersloh. „Ich bitte die politisch Verantwortlichen um Sorgfalt und Besonnenheit bei der Suche nach den Ursachen. In dieser angespannten Situation helfen keine einseitigen und voreiligen Schuldzuweisungen. Im Gegenteil: Sie schüren Ressentiments und gefährden den gesellschaftlichen Zusammenhalt, den es gerade jetzt umso dringender braucht. Die Ursachen für die zahlreichen Neuinfektionen kann bis jetzt niemand eindeutig benennen. Es darf nicht sein, dass bestimmte Menschen von vornherein für schuldig erklärt und an den Pranger gestellt werden.

Wir müssen zum Beispiel auch die Frage nach der Unterbringungssituation und nach Hygienestandards in den Sammelunterkünften stellen. Nicht zuletzt braucht es eine neue gesellschaftliche Debatte über unser Konsumverhalten sowie Dumpingpreise und Dumpinglöhne in der Fleischindustrie.

Die Vermutung, osteuropäische Werksarbeiter der Firma Tönnies hätten das Coronavirus „eingeschleppt“, halte ich für eine zum gegenwärtigen Zeitpunkt unzulässige Spekulation. Sie entbehrt jeglicher belastbaren Sachgrundlage, sie verunglimpft ausländische Arbeitskräfte und droht, die ohnehin gereizte gesellschaftliche Stimmung zu deren Lasten aufzuheizen. Die Erkrankten und Infizierten im Kreis Gütersloh schließe ich in meine Gebete ein."

Präses Annette Kurschus ist leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen und zugleich stellvertretende Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sowie EKD-Beauftragte für die deutsch-polnischen Beziehungen. (lka)

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