Andacht zum Sonntag, 19. Juli 2020 von Pfarrerin Erika Engelbrecht - Evangelische Kirchengemeinde Gütersloh

6. Sonntag nach Trinitatis

Lieber Leser, liebe Leserin,

Von keinem geringeren als Martin Luther wird berichtet, dass, wenn es ihm nicht gut ging, er sich aufschrieb „Baptisatus sum! ich bin getauft!“ und mit einem Stein zur Befestigung auf seinen Tisch legte, damit diese Gewissheit nicht vom Winde verwehen konnte. Denn es brachte ihm große Gewissheit und neues Vertrauen, wenn er sich seiner Taufe vergewisserte.

Der (heutige) 6. Sonntag nach Trinitatis ist der Tauferinnerung gewidmet. Wir sollen oder dürfen oder möchten uns unserer Taufe erinnern: Als unsere Eltern uns vor Gott gebracht haben, der uns unsere Wesen, unsere Gestalt und unsere Schönheit gegeben hat. Bei der Taufe reichten sie uns sozusagen zurück an den Schöpfer alles Lebendigen und vertrauten uns ihm für den weiteren Weg an. Es ist selbstverständlich, dass Eltern, die ein gesundes Kind empfangen haben, tiefe Dankbarkeit empfinden. Es hätte ja auch ganz anders kommen können. Und so haben unsere Eltern mit dem Weg zum Taufbecken gesagt: Hier ist unser Kind. Wir haben es von dir, Gott. Es gehört nicht uns. Wir bitten dich, es zu behüten, zu führen und zu segnen. Wir bitten dich, bei ihm zu sein, auch und gerade, wenn das Leben Schweres bringen wird. Die Taufe ist eine Art Adoption eines Menschen durch Gott: wir bitten Gott, der dieses Kind geschaffen hat, er möge ihm (auch) Vater und Mutter sein. Die leiblichen Eltern wird es eines Tages verlieren, aber Gott bleibt. Jesus selbst hat sich einer Erzählung der Evangelien zufolge taufen lassen. Als er aus dem Jordan gestiegen sei, habe eine Stimme gesagt: Das ist mein lieber Sohn. So möchte Gott auch über dem eigenen Kind sprechen: Das ist mein geliebtes Kind.

Das verändert die Perspektive. Es steht nicht einer unbekannten Macht gegenüber, sondern dem liebenden Gott, der schon durch den Propheten Jesaja sagen lassen hat: „So spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“ (Jesaja 43,1)

Oft wird dieses Wort bei Taufen gesprochen. Es kehrt Beruhigung ein: Nicht eine Nummer sind wir bei Gott, sondern er kennt uns bei unserem Namen. Ich denke daran, wie Gott im Paradies nach Adam ruft: Adam, wo bist du? oder wie Gott zweimal den Abraham ruft: Abraham! Abraham! um zu verhindern, dass sein Sohn Isaak sterben muss. Oder Maria wird am Ostermorgen vom Auferstandenen, von dem sie meinte, er sei der Gärtner, aus ihrer Trauer gerufen. Wenn ich bei meinem Namen gerufen werde, fühle ich mich persönlich angesprochen. Dann kann ich nicht ausweichen.

Bei unserer Taufe sind wir zum ersten Mal von Gott bei unserem Namen gerufen worden. Vielleicht ist dabei sogar dieses Jesaja-Wort als Segenswort gesprochen worden: „So spricht der HERR, der dich geschaffen hat, Jakob, und dich gemacht hat, Israel: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen; du bist mein!“

Man sieht uns nicht an, dass wir getauft sind. Das ist wie mit einem Stein: Wenn wir ihn am Strand etwa im Wasser liegen sehen, sieht er wunderbar aus. Wir nehmen ihn vor Begeisterung mit, und am anderen Morgen, wenn der Stein getrocknet ist, sind wir vielleicht enttäuscht: Er sieht gar nicht mehr so gut aus. So ist das auch bei uns. Der Augenblick der Taufe war ein ganz besonderer, Gottes Zuspruch stand im Raum. Unsere Eltern, Paten und Patinnen waren gerührt von der Anwesenheit Gottes. Aber dann – im Laufe des Lebens – sieht man uns nicht an, dass wir getauft sind bzw. wir vergessen es nahezu. Da ist es schon gut, erinnert zu werden, um wieder zu hören, dass wir Gottes geliebte Kinder sind. Und wenn es uns nicht gut geht – das passiert in diesen Zeiten noch öfter als sonst –, sollten wir uns vielleicht wie Martin Luther einen Zettel schreiben und ihn etwa an den Spiegel heften, damit wir schon morgens erinnert werden, Gottes geliebtes Kind zu sein.

Die Liebe und Zuwendung Gottes zu uns bedeutet eine ganz besondere Wertschätzung. Sich dieser Wertschätzung Gottes immer wieder bewusst zu werden, ist der Sinn der Tauf­erinnerung. Wenn wir uns in besonderem Maße geliebt fühlen, bringt uns das dazu, auch unsere nahen und fernen Nächsten, unsere Mitgeschöpfe und die gesamte Schöpfung Got­tes in ihrer ganzen Pracht und Schönheit wahrzunehmen, ebenfalls Wert zu schätzen, sie zu achten und uns mit viel Empathie und Herzblut für ihren Erhalt und Schutz einzusetzen.

Dann behalten wir Kraft, unseren Platz in dieser Welt zu behalten. Auch und gerade in diesen Zeiten ist es so wichtig, uns der guten Schöpfung Gottes bewusst zu werden und sie wieder mehr zu schonen und zu beten:

Herr, unser Schöpfer,
gesegnet hast du deine Geschöpfe,
Menschen und Tiere,
aus deiner Hand kommen sie und wir.
Deine Liebe hat uns zusammengebracht.
Wir haben uns von dir entfernt
und darum die Mitgeschöpfe preisgegeben
an Willkür, Ausbeutung und Experiment.

Herr, dein Segen bringe uns wieder zusammen.
Lass uns den Regenbogen erkennen,
der über uns und sie gespannt ist.
Mache uns wieder dankbar für dein Geschenk,
öffne uns die Augen für den Reichtum dieser Erde.

Segne uns durch neues Staunen.
Lass uns auf die Sprache achten,
die Bruder und Schwester Tier sprechen,
lass uns achten auf die Sprache
von Pflanzen, Blumen und Bäumen.

Segne uns durch neue Freude über alle Geschöpfe
und halte uns verbunden in dir.

Eberhard Röhrig (Schöpfungssegen)

Amen.

Bleiben Sie behütet!

Ihre Pfarrerin Erika Engelbrecht

 

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