Andacht von Pfarrerin Erika Engelbrecht am Gründonnerstag - Evangelische Kirchengemeinde Gütersloh

Liebe Mitmenschen,

Heute ist Gründonnerstag. Heute war Jesus ein letztes Mal mit seinen Freunden zusammen, sie aßen. Beim Essen lässt sich besonders gut reden. Aber an diesem Abend wollten gar keine Gespräche aufkommen. Alle hatten Angst vor dem, was kommen würde: der Abschied von Jesus. Er sah, wie müde und traurig seine Freunde waren. Jesus ahnte, dass, wenn er auf eine neue, eine andere Weise als bisher bei ihnen bleiben würde, es für sie einfacher wäre, wenn er nicht mehr bei ihnen sein würde. Darum nahm er das Brot und den Kelch, stiftete die Gemeinschaft und sagte: „Tut es immer wieder: euch erinnern an mich und Brot mit Kelch teilen!“ Seine Freunde konnten es noch nicht so recht verstehen, was das bedeuten sollte. Doch eines haben sie genau gespürt: Jesus hat ihnen in ganz besonderer Weise seine Liebe geschenkt. Er wird immer bei ihnen sein, gleich wie‘s kommen mag. Die zugesagte Gemeinschaft mit Gott wird sie stärken, wenn Jesus sie allein zurück lässt. Das gibt Trost.

Gern hätten wir diese Gemeinschaft heute Abend in unseren Kirchen und Gemeinde­häu­sern gefeiert. Aber wir müssen Abstand halten.

In diesem Jahr fällt der Gründonnerstag auf den 9. April. Heute vor 75 Jahren wurde Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager Flossenbürg erhängt, – kurz vor Ende des Krieges.

1906 war er mit seiner Zwillingsschwester in eine gutbürgerliche, akademische, nicht unbedingt religiös geprägte Welt geboren worden.

Schon früh entdeckte Dietrich Neugier für alles, was den nüchternen Verstand überschreitet. Später studierte er Theologie. Schon Anfang der 30er Jahre wurde Dietrich Bonhoeffer Studentenpfarrer und Privatdozent an der Berliner Universität. Er entdeckte eine große Bedeutung in der Bergpredigt Jesu, beginnend mit den Seligpreisungen:

3 Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.
4 Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.
5 Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.
6 Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.
7 Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.
8 Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. 9 Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.
10 Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.

(Matthäus 5, 3 – 10)

In seinem Buch „Nachfolge“ schreibt Bonhoeffer: „Die Jesus nachfolgen, werden hungrig und durstig auf dem Weg. Nach Vergebung aller Sünden und völliger Erneuerung tragen sie Verlangen nach dem Neuwerden der Erde und vollkommener Gerechtigkeit Gottes. Noch deckt der Fluch der Welt diese zu, noch fällt die Sünde der Welt auf sie. Der, dem sie nachfolgen, muss als Verfluchter am Kreuz sterben. Ein verzweifeltes Verlangen nach der Gerechtigkeit ist sein letzter Schrei: mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Der Jünger aber ist nicht über seinen Meister. Ihm folgen sie nach. Selig sind sie darin, denn ihnen ist verheißen, dass sie satt werden sollen. Gerechtigkeit sollen sie empfangen, nicht nur durchs Ohr, sondern leibliche Sättigung mit Gerechtigkeit soll ihnen widerfahren. Das Brot des wahrhaftigen Lebens sollen sie essen im zukünftigen Abendmahl mit dem Herrn. Um dieses zukünftigen Brotes willen sind sie selig; denn sie haben dieses Brot ja schon gegenwärtig. Der das Brot des Lebens ist, ist in all ihrem Hunger unter ihnen.“
(S. 60)

Friede wurde zum zentralen Thema für Bonhoeffer. Er ließ nicht gelten, dass die Gebote der Bergpredigt nur einen bestimmten Bereich des Lebens betreffen. Schon 1934 forderte er ein großes oekumenisches Konzil der weltweiten Heiligen Kirche Christi, damit sie den Menschen die Waffen aus der Hand nimmt und ihnen den Krieg verbietet.

Für kurze Zeit – in Folge eines Lehrverbotes – geht Dietrich Bonhoeffer nach London als deutscher Pfarrer, wurde dann Leiter des Predigerseminars in Finkenwalde. Dort entstand das Buch „Nachfolge“. Nachfolge – so schreibt er – sei die Lösung aller bisherigen Bin­dungen, sei stattdessen die Bindung an die Person Jesu Christi. Letztlich sei Nachfolge Leidenmüssen, das Leiden Gottes an der Welt zu teilen. Dieser ist nicht allmächtig, sondern offenbart sich in der Schwachheit, im Leiden, – bis zum Tod am Kreuz: Nur der leidende Gott kann helfen. Wie gut, dass wir in dieser Woche die Gelegenheit haben, uns dessen wieder bewusst zu werden! Auch wenn wir die Gemeinschaft unter einander heute beim Feierabendmahl nicht haben können, dürfen wir sicher sein, dass wir aus der Gemeinschaft mit (dem leidenden) Gott nicht fallen.

Nach der Schließung des Finkenwalder Predigerseminars und Reisen zu oekumenischen Partnern ging Dietrich Bonhoeffer in den Widerstand, – als Konsequenz seines theologischen Denkens. Er arbeitete inzwischen an seiner „Ethik“, einem Buch, das nicht mehr fertig geworden ist und das sein Freund Eberhard Bethge nach dem Krieg heraus­gegeben hat. Immer bedeutender wird Bonhoeffer die Frage, wie eine kommende Generation weiterleben kann. Als Aufgabe für die Menschen in der Nachfolge nennt er das Beten und (dann) das Gerechte zu tun.

Am 5. April 1943 wurde Bonhoeffer festgenommen. Zum Jahresende auf 1945 schreibt er die uns so wertvollen Zeilen „Von guten Mächten“. In seiner langen Haftzeit war er dank seines Gottvertrauens für manchen Häftling eine Beruhigung. Als Dietrich Bonhoeffer am 9. April 1945 im Konzentrationslager Flossenbürg erhängt wurde, sollen seine letzten Worte gewesen sein: „Dieses ist nicht das Ende, sondern der Anfang meines Lebens.“

Ich möchte gern noch auf dieser Erde für mehr Gerechtigkeit eintreten und hoffe, dass das Corona-Virus das einmal wieder mehr zulässt als im Augenblick möglich, aber ich freue mich auch auf das Mahl in Gottes ewiger Welt. Diese Freude möge uns durch diese Zeit tragen, denn

„Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.“

 

Bleiben Sie behütet!

Ihre Pfarrerin Erika Engelbrecht

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