Andacht zum Sonntag 16. August 2020 nach Trinitatis (Israelsonntag) von Pfarrer Christian Feuerbaum - Evangelische Kirchengemeinde Gütersloh

Menschen haben so ihre Macken. Sie auch – mit Sicherheit. Spätestens seitdem ihnen ein netter Mensch einmal gesagt hat, wissen Sie es: „Sie haben eine Macke.“ Macken sehen unterschiedlich aus und beschreiben eine Eigenart am Menschen, die überzogen erscheint: zu penibel, besserwisserisch, unordentlich, zu fixiert, zu introvertiert, zu extrovertiert, zu äußerlich, zu hilfsbereit, zu bequem … Was ist Ihre Macke?

Eine der vielen Macken, die Menschen so haben können, ist Überheblichkeit. Sie mündet meist in Ausgrenzung und in das Gefühl „Wir sind besser.“

Um das Jahr 55 schreibt der Apostel Paulus einen langen Brief an die junge christliche Gemeinde in Rom. In den Kapiteln 9-11 dieses Briefes geht es um das damals schwierige bis feindliche Verhältnis von Christen und Juden. Beide Seiten beleidigen sich und fühlen sich jeweils als die Erwählten und Besseren. Es fallen auf christlicher Seite Worte wie Verstockung, Gottlosigkeit, Ungehorsam, Sünden, Feinde. Paulus nimmt die damals in vielen christlichen Gemeinden umlaufenden Vorwürfe auf und stellt Gottes Eigenart gegenüber: Treue und Barmherzigkeit. Gott ist treu, denn er hält an seiner Berufung des Volkes Israel fest. Für alle Menschen gilt: Sie sind angewiesen auf seine Barmherzigkeit. Alle sind von Gott berufen, sein Volk zu sein. Eine Herabsetzung oder Ausgrenzung kann es nicht geben.

Das Wort „Macke“ kommt aus der hebräischen Sprache und ist über das Jiddische in unsere Sprache gekommen. Macke heißt übersetzt: Fehler, Schlag, Plage.

 

Es war über Jahrhunderte ein Schlag gegen Gottes Gebot der Nächstenliebe, dass Menschen jüdischen Glaubens ausgegrenzt, verfolgt, vertrieben und ermordet wurden.

Es ist eine Plage, dass die dahinter stehende Überheblichkeit und Judenfeindlichkeit in vielen Köpfen wieder um sich greift. Sie äußert sich in verbalen wie körperlichen Angriffen und Verschwörungstheorien. Eine der aktuellen Theorien führt dabei das Corona-Virus auf ein Labor in Israel zurück.

Es ist ein Fehler, dieser Menschenfeindlichkeit nicht entgegenzutreten. Paulus schreibt und bezieht Stellung in seinen Briefen.

Gott ist treu und er hält an seinen Zusagen fest. Das ist seine Eigenart und wie wir heute auch sagen würden – weil wir diesem Wort mittlerweile eine andere Bedeutung geben – seine liebevolle Macke, von der er nicht lassen kann. Ebenso nicht von seiner Barmherzigkeit, die allen Menschen gilt.

 

Gebete und Texte für den 10. Sonntag nach Trinitatis (Israelsonntag)

Psalm 122

Ich freute mich über die, die mir sagten:
Lasset uns ziehen zum Hause des HERRN!
Nun stehen unsere Füße
in deinen Toren, Jerusalem.
Jerusalem ist gebaut als eine Stadt,
in der man zusammenkommen soll,
wie es geboten ist dem Volke Israel,
zu preisen den Namen des HERRN.
Wünschet Jerusalem Frieden!
Es möge wohlgehen denen, die dich lieben!
Es möge Friede sein in deinen Mauern
und Glück in deinen Palästen!
Um meiner Brüder und Freunde willen
will ich dir Frieden wünschen.
Um des Hauses des HERRN willen, unseres Gottes,
will ich dein Bestes suchen.

 

Evangelium nach Markus 12, 28-34

Einer der Schriftgelehrten, der ihnen zugehört hatte, wie sie miteinander stritten, trat zu Jesus. Als er sah, dass er ihnen gut geantwortet hatte, fragte er ihn: Welches ist das höchste Gebot von allen?
Jesus antwortete: Das höchste Gebot ist das: "Höre, Israel, der Herr, unser Gott, ist der Herr allein, und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und mit all deiner Kraft" (5. Mose 6,4-5). Das andre ist dies: "Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst" (3. Mose 19,18). Es ist kein anderes Gebot größer als diese.
Und der Schriftgelehrte sprach zu ihm: Ja, Meister, du hast recht geredet! Er ist einer, und ist kein anderer außer ihm; und ihn lieben von ganzem Herzen, von ganzem Gemüt und mit aller Kraft, und seinen Nächsten lieben wie sich selbst, das ist mehr als alle Brandopfer und Schlachtopfer.
Da Jesus sah, dass er verständig antwortete, sprach er zu ihm: Du bist nicht fern vom Reich Gottes.

 

Predigttext Römerbrief 11, 25-32

Ich will euch, Brüder und Schwestern, dieses Geheimnis nicht verhehlen, damit ihr euch nicht selbst für klug haltet: Verstockung ist einem Teil Israels widerfahren, bis die volle Zahl der Heiden hinzugekommen ist.
Und so wird ganz Israel gerettet werden, wie geschrieben steht (Jesaja 59,20; Jeremia 31,33): "Es wird kommen aus Zion der Erlöser; der wird abwenden alle Gottlosigkeit von Jakob. Und dies ist mein Bund mit ihnen, wenn ich ihre Sünden wegnehmen werde."
Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen; aber nach der Erwählung sind sie Geliebte um der Väter willen.
Denn Gottes Gaben und Berufung können ihn nicht gereuen.
Denn wie ihr einst Gott ungehorsam gewesen seid, nun aber Barmherzigkeit erlangt habt wegen ihres Ungehorsams,
so sind auch jene jetzt ungehorsam geworden wegen der Barmherzigkeit, die euch widerfahren ist, damit auch sie jetzt Barmherzigkeit erlangen.
Denn Gott hat alle eingeschlossen in den Ungehorsam, damit er sich aller erbarme.

 

Fürbitten

Barmherziger Gott, Gott Abrahams, Isaaks, Jakobs und Vater unseres Herrn Jesus Christus.

Wir bitten dich für die Menschen jüdischen Glaubens in Israel und in aller Welt, dass sie in Frieden leben können, dass sie Aner­kennung und Heimat finden und keine Angst um ihr Leben haben müssen.

Wir bitten dich für das Land Israel und seine Nachbarn, dass Hass und Feindschaft überwunden werden; dass die Menschen in friedlicher Nachbarschaft miteinander leben können und Gemeinsames gesucht und gefunden wird.

Wir bitten dich für Juden, Christen und Moslems, dass Menschen verschiedenen Glaubens einander mit Achtung begegnen, dass wir Verbindendes und Trennendes akzeptieren und miteinander nach Gottes Willen fragen.

Wir bitten dich für alle Menschen, die unter Krieg und Hunger leiden, für die Opfer von Katastrophen und Gewalt, in diesen Tagen besonders an die Menschen in Beirut und Libanon, dass ihnen alle erdenkliche Hilfe zukommt.

Wir bitten dich für alle Menschen, die sich nach Gerechtigkeit und Frieden sehnen, die im Blick auf die Not in der Welt Schmerz und Traurigkeit empfinden, dass ihre Tränen getrocknet werden und sie deiner Barmherzigkeit und Treue gewiss sind.

Lass uns alle miteinander das Leben finden, wie du es verheißen hast, Herr, unser Gott.

Wir beten mit den Worten deines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name.
Dein Reich komme.
Dein Wille geschehe,
wie im Himmel, so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsre Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich
und die Kraft
und die Herrlichkeit
in Ewigkeit. Amen.


Ihr Pfarrer Christian Feuerbaum

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