Geistliche Impulse Archive - Seite 4 von 6 - Evangelische Kirchengemeinde Gütersloh

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Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne.
Mein Gott, des Tages rufe ich, doch antwortest du nicht,
und des Nachts, doch finde ich keine Ruhe. (Psalm 22,2.3)

 

Liebe Leserin, lieber Leser!

Ärzte, die bis zur völligen Erschöpfung um das Leben ihrer Patienten ringen. Die weinende Krankenschwester, die ihre Angst in die Kamera schreit, weil sie ohne Schutzausrüstung Corona-Patienten versorgen muss. Infizierte, die einsam auf Krankenhausfluren sterben, ohne sich von ihren Lieben verabschieden zu können. Das geschieht nicht in armen Ländern weit, weit weg in Afrika oder Südamerika, das geschieht hier in unserer europäischen Nachbarschaft.

Die Bilder fressen sich in meinen Kopf, ich mag gar nicht mehr hinsehen, mag die Nachrichten und Sonderreportagen nicht mehr ansehen. Und doch kann ich den Blick nicht abwenden. Sauge fast täglich die neuesten Berichte, Statistiken und Prognosen in mich auf.

So viel Leid, so viel Verzweiflung, so viel Tod! Dank der Medien bin ich bin immer informiert, bin mittendrin in der Pandemie, ob in Europa, den USA oder Asien. Dazu diese Angst: Was, wenn vielleicht auch hier die Krankenhausplätze nicht mehr reichen, wenn Menschen sterben müssen, die mir lieb sind?

Heute ist Karfreitag, der Tag. Wir Christenmenschen denken an Leid und Sterben Jesu. Weil Gott seine Welt liebt, hat er ihr seinen Sohn gesandt. Erfüllt von Gottes Liebe, hat Jesus viele Menschen begeistert, getröstet und geheilt – und etliche gegen sich aufgebracht. Und dann wird er verraten und gefoltert und stirbt elend am Kreuz. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, so Markus und Matthäus, waren seine letzten Worte.

Dazu drängt sich mir das drastisch-realistische Kreuzigungsbild des Isenheimer Altars von Matthias Grünewald in den Kopf. Ursprünglich war es als Trost für Kranke gedacht. Wenn sie es ansahen, sollten sie erfahren: Gott ist bei mir in meinem Leid und meiner Angst, ich bin nicht allein. Das sollte sie stärken und ihre Schmerzen vergessen lassen. Ob es wohl gewirkt hat?

Ich gebe zu: Mich tröstet dieses Bild nicht. Aber ich brauche heute ein Bild des Trostes und der Hoffnung, das ich gegen all die Schreckensbilder setzen kann. Und was kann dies am Karfreitag anderes sein als das Bild des Gekreuzigten?

In dem kleinen Andachtsbuch „Dein Tod ist unser Leben“ von Jörg Zink finde ich schließlich die Geschichte des „Balzer Herrgotts“ wieder. Sie hat mich schon vor vielen Jahren angerührt. Vielleicht geht es Ihnen ebenso.

Am Berghang über dem Tal von Wildgutach im Hochschwarzwald steht eine mächtige alte Buche. In den jahrhundertealten Stamm ist eine Christusfigur eingewachsen. Um ihre Herkunft ranken sich einige Legenden. Vermutlich gehörte die Sandsteinfigur zu einem eisernen Hofkreuz. Es wurde 1844 durch eine Lawine beschädigt, der Christus verlor Arme und Beine. Um 1900 wurden die Reste des Kreuzes mit dem Korpus an dem Baum befestigt. Als nun die Buche weiterwuchs, rieb sich der Stamm wund an dem Eisen und begann, um die Stäbe herumzuwachsen. Im Laufe der Jahrzehnte hat der Baum auch den Gekreuzigten immer weiter in sich aufgenommen und mit lebendigem Holz umhüllt. Was für ein hoffnungsvolles Bild!

Hart wie Stein, kalt wie Metall, so begegnet uns der Tod, besonders in dieser Zeit des massenhaften Leidens und Sterbens. Doch, so führt uns der „Balzer Herrgott“ vor Augen, der Tod hat nicht das letzte Wort. Ein Lichtstrahl des Ostermorgens erhellt schon den Karfreitag. Wie das lebendige Holz den toten Stein umschließt, so umhüllt Gottes Liebe Jesus auch im Tod und bringt ihn zu neuem Leben. Nicht ohne Angst, Verletzung und Schmerz, sondern durch Angst und Leid und Tod hindurch führt der Weg zum Leben. Für Jesus und für uns. Denn wenn wir mit ihm zusammengewachsen sind, ihm gleich geworden in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein (Römer 6,5). Dieses Vertrauen schenke Gott uns allen. Amen.

Holz auf Jesu Schulter, von der Welt verflucht,
ward zum Baum des Lebens und bringt gute Frucht.
Kyrie eleison, sieh wohin wir gehn.
Ruf uns aus den Toten, lass uns auferstehn. (Evangelisches Gesangbuch 97, Strophe 1)

Gott segne und behüte Sie.

Ihre Pfarrerin Kerstin Jacobsen

(Balzer Herrgott. Foto: Winfried Rothermel / epd, gefunden auf www.landeskirche-hannovers.de)
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